der Lebenslauf einer M 250 B

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Günter
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der Lebenslauf einer M 250 B

Beitrag von Günter » So 5. Apr 2020, 19:01

Ich denke die meisten M250B haben den üblichen Lebenslauf, die ersten 10 Jahre bei der BW war noch alles in Ordnung, wurden die Dinger zwar im Gelände geprügelt aber mehr gepflegt als gefahren. Kosten für neue Teile spielten bei der BW keine Rolle, die Motoren gingen regelmäßig weg zu Instandsetzung.

Nach der Ausmusterung wurden die Geräte von der VeBeG versteigert, für Stück ein paar hundert Mark. Wer kaufte die Dinger? Meist Fahranfänger und oder Leute die weder Geld noch Ahnung hatten. Die Maicos wurden in allen möglichen Farben übergepinselt Hauptsache nicht mehr oliv. Lief die Maico nicht wurde gebastelt, stellte die Maico ihren Dienst ein wurde sie irgendwo in eine Ecke abgestellt oder weiterverkauft an den nächsten Bastler. Vor 25 Jahren tauchen dann solche Maschinen wieder auf kosteten anfangs in "fahrbereiten Zustand" max. ein paar hundert Mark. Auch dann wurde weiter drauf los gebastelt die neuen Besitzer waren meist nicht besser, wollten meist kein Geld in die Maschine stecken, dabei gab es alle Ersatzteile neu und gebraucht noch für ein paar Mark. Wenige Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel.

Ich gehörte vor 25 Jahren auch zu den Maico-Neulingen, war nicht ganz so ahnungslos und wollte die Maschine als Alltagsmotorrad nutzen. Das habe ich dann auch ein paar Jahre gemacht bin mit der Maico für die Firma oft kreuz und quer durch das Ruhrgebiet gefahren im Winter dann mit Seitenwagen. Bei täglicher Nutzung war fast an jedem Wochenende Wartung angesagt. Irgendwann kannte ich die Maschine und ihre Zicken auswendig. Ich stellte schnell fest das jedes Bauteil um das man sich nicht gekümmert oder erneuert hatte sich meldete und irgendwann seinen Dienst verweigerte. Am besten nachts irgendwo auf der Landstraße zwischen Pusemuckel und Appelhülsen. Ein Handys hatte ich auch noch nicht!

Ohne eine technische Restauration bleibt eine 60 Jahre alte Maschine an der sich dann noch Unwissende versucht haben immer eine "Wanderbaustelle", wann der nächste Fehler auftritt die Maschine liegen bleibt ist nur eine Frage der Zeit.
Im Grund ist es nicht ein Fehler, sondern meist wird die Summe der Fehler so groß das die Maico nicht mehr will.

Wenn man nicht viel fährt sollte man zumindest nach und vor der Saison sich mal um die Maico mal ein paar Stunden kümmern, die Maico ist eine Konstruktion aus den frühen 50er Jahren, die Wartungsintervalle sind nicht mit Motorrädern aus den 70er und 80er Jahren vergleichbar.

Leider fallen immer wieder M 250 B Neulinge auf "optische Restaurationen" herein, bis auf Farbe und ein paar Gummiteile wurde an den Maschinen wenig gemacht, die Technik hat seit 50 Jahren keiner überarbeitet. Wenn man Glück hat ist nicht viel verbastelt worden!
Ich denke wenn eine restaurierte Maschine unter 3000€ angeboten wird sollte man mal genau hinschauen was restauriert wurde.
3000€ das ist ungefähr der Betrag den man reinsteckt wenn man alles an der Maschine macht und vieles selber machen kann, keine Lohnkosten bezahlen muss.

Gruß Günter
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Foto: so bekam ich meine erste M 250 B, die Sitzbank mit dem Kuhfell habe ich glaube ich sogar noch im Lager3
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Josch
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Re: der Lebenslauf einer M 250 B

Beitrag von Josch » Fr 10. Apr 2020, 12:29

Hallo liebe Leut,

...ja, eine M 250 B hatte es oft nicht leicht im Leben. Sie wurde als "technisches Gerät" hergestellt und auch so in ihrem ersten Leben benutzt.
Erst nach Ausmusterung konnte man sie erwerben, oft fürn Hunni vielleicht. Vor 25 Jahren wurde mir eine M 250 B angeboten, die jahrelang bei einer Feuerwehr in der Ecke stand. Fuffzig Mark sollte ich geben. Dann, als ich sie abends holen wollte, waren sich die Kameraden uneinig geworden und ich durfte sie doch nicht haben, auch für hundert nicht..nein, ein dazugehöriger Feuerwehrmann wollte sie plötzlich....Pech für mich. Was mit der Maschine wurde...keine Ahnung, nie mehr gesehen.

Die Anschaffung einer Blizzard war da schon anders. Privat halt. Viele kauften sich in den Fuffzigern ein Motorrad so wie man heut nen Kia oder nen Renault kauft, als Fahrzeug für die Arbeit. Es war ja die (vorerst) letzte Hochphase des Motorrads, die bis knapp Mitte der Fünfziger Jahre hielt. Danach war die Anschaffung eines Autos, auch Kabinenroller angesagt.

Meine Blizzard wurde von einem Dreher/Schlosser aus Remscheid 1954 gekauft. Eine Maico 250 war ja schon fast Oberklasse, sportlich und schnell, kein 98er Sachs Motorfahrrad. Der Dreher fuhr die Maico bestimmt gern. Sie hatte zuerst noch das schwarze Besatzungskennzeichen mit den schrägen Ecken dran. Irgendwann zog der Dreher um. Ob zu der Zeit ein Unfall damit passierte , oder später, weiß ich nicht. Jedenfalls war die Maico für einige Zeit abgemeldet. Der Rahmen ist bis heute leicht krumm, Schweißarbeiten an Lampenhalter, Schutzblech vorne, Beule im Tank und Schleifspuren an Sitzbank und Auspuff zeugen davon. 1. Übermass wurde wohl eingebaut, obwohl die Maschine letztendlich erst 14.000 drauf hatte, evtl weil der Motor mal fest ging und die Maico Mannen das Laufspiel vergrößerten. Zum letzten Mal beim TÜV war die Maico im Mai 1959....
danach hat sie wohl irgendwo die Zeit überdauert...bis jemand um 1997 die Gabel ausbaute, um sie (vielleicht im Kombi) nach Mannheim zur Veterama zu schaffen, wo sie der Bremer Motorradsammler Fritz Bleckwehl kaufte...und sie wiederum 10 Jahre in seine riesige Sammlung stellte. Fritz Bleckwehl sammelte auch einige Autos und fuhr mit Nortons Oldtimer Rennen. Auch in Schotten fuhr er, das letze Mal sah ich ihn da mit seiner Bömerland.
Er verkaufte so nach und nach "einfache" Motorräder wie DKW, PUCH Victoria aus seiner Sammlung, so auch "meine" Maico...an mich!
Rennmotorräder und Exoten hatten es ihm angetan. In seiner 2 stöckigen Scheune standen einige hundert alte Motorräder, Vorkriegsautos, eine unglaubliche Zündkerzensammlung und viel, viel Krimskrams um dieses Hobby. Ich hab ihm später ein Bild der wieder angemeldeten Maico geschickt und mich nochmals bedankt. Vielleicht hängt es noch in der Bildergalerie in seiner Scheune. Er verstarb leider vor einigen Jahren, ich glaub, man kann sein Museum besuchen, muss man mal googeln.

Hab meine Maico nach fast 50 Jahren wieder zum Laufen gebracht und angemeldet. Alle ihre "Kampfspuren" hat sie behalten. Dieses Jahr wurde der Motor grundüberholt, da sagt doch mein Sohn Max: Mach doch den angeschrabbten Motordeckel auf der Zündungsseite auch gleich neu!

Nee....bleibt so...muss so.... sag ich....Ach Papa...hast recht, sagt er....

Bleibt alle gesund!

Gruß Jochen

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Günter
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Re: der Lebenslauf einer M 250 B

Beitrag von Günter » Fr 10. Apr 2020, 17:13

eine tolle Geschichte zu Ostern, danke Jochen.
Bleibt alle gesund !
Gruß Günter
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krauthahn
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Re: der Lebenslauf einer M 250 B

Beitrag von krauthahn » Fr 10. Apr 2020, 23:27

Immer wieder schön zu hören, wie so mancher an sein Schätzchen gekommen ist !
Wenn man dann noch die dazugehörige Geschichte kennt ist es nochmal so interessant !
Ich kann da leider nicht mithalten.
Hab einfach mal bei Ebay mitgeboten und unerwartet den Zuschlag bekommen.
Da der Vorbesitzer am Abholtag nicht zu Hause sein konnte, hat er sie kurzerhand mit Papiere vor`s Haus gestellt wo ich sie dann einfach aufgeladen habe.
Da war leider nix mit Geschichtsforschung !
So wie sie aussah, stand sie wohl lange Zeit in einer Schreinerei oder ähnliches.
Das lies zumindest das ganze Sägemehl vermuten, welches sogar im Vergaser zu finden war.
Jetzt ist sie technisch vorerst mal in Ordnung, aber ihre "Narben" durfte sie behalten. Usedlook, wie man heute sagt !
Gruß,
krauthahn

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Re: der Lebenslauf einer M 250 B

Beitrag von Günter » So 12. Apr 2020, 10:02

Meine erste Gespannfahrt

Wie schon mal erwähnt, war ich es leid im Winter eckig um die Kurven zu fahren. So kam ich zum M 250 B Gespann. Besichtigungstermin in Duisburg, sah nicht übel aus, der Motor sprang willig an. Probefahrt! Einmal die Straße 50 Meter rauf und runter. Geht ja! Gespannfahren ist doch nicht schwer! Am Gespann funktionierte so weit alles. Der Preis war wohl auch in Ordnung. Also für Freitag Nachmittag das Geld von der Bank geholt und den Kaufvertrag vorbereitet. Ein Freund fuhr mich mit dem Auto nach Duisburg, und ich fuhr von Duisburg über Oberhausen nach Bottrop mit dem Gespann zurück. Mit Trialreifen auf regennasser Fahrbahn im Berufsverkehr durchs westliche Ruhrgebiet. Es brauchte einige Zeit bis ich kapiert hatte das sich das Gespann nicht wie ein Motorrad mit Gewichtsverlagerung lenken lässt. Viel mehr lenkt man so ein seltsames Dreirad durch kräftiges Ziehen am Lenkerende, und durch Gas geben und Anbremsen zum richtigen Zeitpunkt. Als ich klatschenass (nicht vom Regen) zu Hause ankam hatte ich meine erste Lektion Gespannfahren hinter mir. Zumal mit einem nicht richtig eingestellten Seitenwagen der immer nach rechts zog.

Kleine Gespannfahrschule

Für die, die sich auch einmal auf drei Rädern bewegen möchten vor ab ein paar Tipps. Wenn man es beherrscht ist es einfach affengeil auf drei Rädern oder auch mal mit dem Seitenwagenrad in der Luft durch die Gegend zu fahren. Entgegen der Meinung der Nichtgespannfahrer kommt in der Rechtskurve (der Fliehkraft gehorchend) schon mal das Boot (Seitenwagen in der Gespannfahrersprache) hoch, erst recht wenn es unbeladen ist.
Das Kann man nur vermeiden wenn man das Gewicht des Fahrers so weit wie möglich nach rechts, tief verlagert. Im Idealfall rutscht der Fahrer mit dem Hintern rechts von der Sitzbank und macht sich schön klein. Gas geben hilf auch noch! Da Das Boot träge ist, drückt beim Gas geben das Gespann nach rechts. Der Schwerpunkt des Gespanns liegt ungefähr rechts hinter der rechten Fahrerfußraste. Als dort wo man am rechten Stiefel vorbei leicht nach hinten schaut. Kapiert? Ist alles nicht ganz einfach, aber dort irgendwo muss bei einer Hinderradpanne der Wagenheber hin, um die Fuhre in Waage zu halten. In der Linkskurve will das Gespann nach rechts vorn. Also mit dem Hintern nach links hinten, Gas wegnehmen oder das Krad leicht anbremsen hilft dabei um die Linkskurve zu kommen. Eine zu schnell gefahrene Linkskurve verzeiht das Gespann nicht, das gibt wohl einen Überschlag nach recht über das Vorder -und das Seitenwagenrad. Im Grunde sollte man beim Gespannfahren wissen, was macht die Fuhre wenn: Gas geben --- Gespann nach rechts, Bremsen --- Gespann nach links. Muss ich am Ende einer unübersichtlichen Rechtskurve einem Trecker ausweichen oder die Fahrbahn fällt nach links ab und ich komme schon mit abgehobenen Hinterrad durch die Kurve geflogen .Das gibt dann mit viel Glück Kontakt mit Mutter Grün. Also unübersichtliche Kurven langsamer angehen dann bleiben noch Reserven. Wichtig ist ständig drauf gefasst zu sein, das die Fuhre die Richtung ändert. So mancher Gespannfahrer hat mit viel Glück die Fuhre nur in den Graben oder Acker gefahren. Fahrbahnenebenheiten, Seitenwind, Straßenneigung, Lastwechsel, das sind alles Einflüsse, die das Gespann schnell aus der Richtung bringen. Da hilft dann nur der breite Gespannlenker und kräftig dran ziehen.

Gute Literatur für Gespannfahrer und die es werden wollen: Edmund Peikert „Handbuch für Gespannfahrer“
Gruß Günter
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Nico
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Re: der Lebenslauf einer M 250 B

Beitrag von Nico » So 12. Apr 2020, 22:01

Der hat mir die Halterung gebaut und mich eindrücklich gewarnt erst das Buch zu lesen bevor ich damit losfahre und eine Weile dann nur Gespann zu fahren. Gefährlich ist anfangs tatsächlich der sogenannte Soloreflex den manche Anfänger vor Schreck auch beim Gespann anwenden.
D.h Man lenkt mit der Solomaschine oder dem Fahrrad eigendlich zuerst leicht nach rechts wenn man nach links will und umgekehrt ohne sich dessen bewußt zu sein.Vor Schreck kann es dann sehr leicht passieren das dieser Reflex sich nicht abschalten läßt und bei der ersten Gespannfahrt in die falsche Richtung und wie magnetisch vor das nächstliegenste Hinderniß führt dem man eigendlich nur auszuweichen wollte.

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